Monday 4 June 2012

Pressekoordination

Kurzform

Der Bundesvorstand strukturiert in der Öffentlichkeitsarbeit um. Es wurden Entscheidungen über das Presseteam getroffen, ohne dieses einzubeziehen. Die dort engagierten Piraten, ihre Qualifikation und Erfahrung werden dabei nicht respektiert. Die getroffenen Entscheidungen basieren nicht auf fachlicher Expertise, sondern auf Politik und persönlichen Präferenzen. Der Effekt davon wird meiner Ansicht nach sein, dass das bestehende Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit nicht funktioniert und die Pressegruppe weit hinter ihrem Potential zurückbleibt. Ich wurde gebeten, in der neuen Struktur Verantwortung für die Koordination zu übernehmen. Ich will nicht für etwas verantwortlich sein, dass ich nicht verantworten kann.

Langform

Am vergangenen Freitag sind Christopher Lang und Aleks Lessmann von ihren Posten als Pressesprecher und stellvertretender Pressesprecher zurückgetreten. Das war der vorläufige Gipfel eines seit dem Bundesparteitag in Neumünster andauernden Konfliktes. Oberflächlich betrachtet ist es ein Problem zwischen den Pressesprechern und einigen Mitgliedern des neuen Bundesvorstandes, tiefergehend aber auch ein Verständniskonflikt über Pressearbeit in der Partei insgesamt.

Als ich mich in Neumünster zur Wahl gestellt habe, habe ich klar gesagt, dass die SG Presse noch nicht vollständig funktioniert, dass es "Work in Progress" ist, und die Aufmerksamkeit - und in der aktuellen Phase auch die Betreuung - des Bundesvorstands braucht. Nach meiner Abwahl habe ich dies dem neugewählten Bundesvorstand auch in aller Deutlichkeit gesagt und auf eine baldige Übergabe des Aufgabenbereiches gedrängt. Leider konnte sich der Bundesvorstand auf seiner konstituierenden Sitzung nicht darüber einig werden, wer den Bereich übernehmen sollte. Die Entscheidung wurde auf das Livetreffen in München vertagt. Ich habe nach diesem Beschluss dem Vorstand erneut mitgeteilt, dass die Pressegruppe nicht so lange ohne feste Zuständigkeit, ohne verantwortlichen Ansprechpartner im Vorstand und ohne Koordination auskommt. Meine Warnungen trafen zwar auf offene Ohren, Taten resultierten daraus jedoch nicht.

Es gab in einer noch nicht stabilisierten Gruppe fünf Wochen lang ein Verantwortungsvakuum.

Auf der letzten Telefonkonferenz der SG Presse am 15.5. - an der keiner der drei kommissarisch verantwortlichen Vorstände teilnahm - bat mich die Gruppe, vorübergehend als Koordinatorin einzuspringen um zumindest die dringendsten Fragen mit dem Vorstand zu klären. Ich nahm die Bitte der Gruppe an und suchte den Dialog mit dem Bundesvorstand. Ich benannte dringende Probleme, die die Gruppe an der Arbeit hinderten - allem voran der Freigabeprozess und die anstehende Organisation des Pressetreffens. Leider erhielt ich trotz zahlreicher Mails kaum verbindliche Antworten, wir wurden wieder nicht ernst genommen, und es wurden keine (Übergangs-)Lösungen gesucht.

Alle Bitten um eine Übergabe und Klärung der Situation verpufften ergebnislos.

Die Gruppe fiel in diesem Zeitraum zusehends auseinander. Es gab keine klare Leitung mehr, Entscheidungen über Veröffentlichungen wurden nicht getroffen, fertige Pressemitteilungen blieben liegen. In dem bestehenden Verantwortungsvakuum versuchte die Bundespressesprecherin für Ordnung zu sorgen, wiederholte dabei aber lediglich Arbeiten, die längst erledigt waren und erhöhte damit den Organisationsaufwand statt ihn zu reduzieren. Absprachen, die ich noch während meiner Amtszeit mit den Pressesprechern für eine bessere Zusammenarbeit getroffen habe, wurden ignoriert, in einem Fall sogar torpediert.

Währenddessen griffen einige Vorstandsmitglieder aktiv destruktiv in das Presseteam ein. Das Team wurde auf der eigenen Mailingliste angepampt, wo Motivation benötigt worden wäre, es wurden Forderungen gestellt die mit dem Aufbau der Gruppe nicht kompatibel waren. Ich bekam sogar einen Anruf, in dem ich gebeten wurde, die Schwachpunkte einzelner Personen zu benennen, damit man sich ihrer einfacher entledigen könne. Weder hat der Vorstand in der Übergangsphase Interesse daran gezeigt mit dem Team zusammen an den gewünschten Veränderungen zu arbeiten, noch wurde - von Einzelpersonen abgesehen - Respekt für dessen Leistung gezeigt. Ein Gespräch wurde nicht gesucht und jeder fachliche Rat in den Wind geschlagen. Es wurde lediglich um Feedback aus dem Team gebeten, welches dann aber - in allen für mich ersichtlichen Fällen - ignoriert wurde.

Der fachliche Rat von Leistungsträgern und Profis wurde ignoriert, Expertise nicht anerkannt.

Ich habe den Vorstand wiederholt und nachdrücklich darauf hingewiesen, dass sie so nicht weitermachen können. Dass ihnen, wenn sie so weitermachen, das Presseteam auseinanderfällt. Ich bat dringend um die Ernennung eines Nachfolgers, oder zumindest um die Gelegenheit, mit einem der kommissarisch Verantwortlichen eine Übergabe zu machen, damit jemand in einer verantwortlichen Position den notwendigen Überblick hätte, die Probleme erkennen und  Entscheidungen treffen könne - ohne Erfolg.

Auf dem Vorstandstreffen in München wurde Markus Barenhoff als mein Nachfolger im Bundesvorstand benannt. Markus hat weder nennenswerte Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit, noch kennt er deren Aufbau oder die beteiligten Personen. Parallel wurde beschlossen, die Leitung der Pressegruppe umzugestalten. Die Bundespressesprecherin soll mit vier Stellvertretern die Koordination aller Teams in der Öffentlichkeitsarbeit übernehmen - und damit effektiv die Aufgabe, die ich im vorhergehenden Jahr im Bundesvorstand hatte. Diese Entscheidungen wurden ohne Rücksprachen mit den betreffenden Teams  und ohne Berücksichtigung der aktuellen Lage getroffen. Das Team erfuhr von diesem Beschluss erst nach den o. g. Rücktritten, durch einen Blogpost im Vorstandsportal.

Dass das Konzept umstritten ist, bedeutet nicht dass es schlecht ist.

Mir ist bewusst, dass die seit dem letzten Jahr vorgenommenen Ändrungen am Konzept der Öffentlichkeitsarbeit umstritten sind. Ich meine genug Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit, Teamleitung, dem Aufbau von Strukturen und Konzepten zu haben, um beurteilen zu können, was daran gut und schlecht gelaufen ist. Das Vertrauen der Teams in das neue Konzept ist für mich Beweis genug, dass die Veränderungen richtig waren. Das Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit der Piratenpartei, dass ich im letzten Jahr zusammen mit den Pressepiraten auf Bundes- und Landesebene erarbeitet habe ist vielleicht nicht perfekt, aber alles in allem tragfähig. Es würde bis über die Bundestagswahl hinaus funktionieren, vor allem aber wäre es im Wahlkampf 2013 eine ideale Basis für die Pressearbeit der Piraten - und die werden wir brauchen!

Ehrenamtliche Arbeit funktioniert nur, wenn die Mitarbeiter motiviert sind und bleiben.

Mein Konzept fußte insbesondere auf produktiver Zusammenarbeit und Miteinander. Ich glaube, dass in einem ehrenamtlichen Team Entscheidungen nur mit dem Team getroffen werden können. Eine ehrenamtliche Gruppe, die unter derartigem Druck steht, kann nur vernünftig arbeiten, wenn sie selbst bestimmen kann, wie sie arbeiten möchte. Ehrenamtlichen Mitarbeitern kann man nicht vorschreiben, wie sie ihr Ehrenamt auszufüllen haben, wann und wie viel sie arbeiten oder welche Shitstorms sie für ihr freiwilliges Engagement in Kauf zu nehmen haben. Darum war die Kommunikation und auch die Arbeit im Team für mich das Herzstück aller meiner Entscheidungen. Natürlich kann man den Teams Zielsetzungen vorgeben, aber man muss mit den Leuten entscheiden, und nicht über ihre Köpfe hinweg. Ich werde meine Konzepte in näherer Zukunft noch detailliert erörtern, sehe aber, dass ich jetzt Position beziehen muss.

Mir wurde von mehreren Vorstandsmitgliedern zugesagt, dass man mich weiterhin für die Koordination der Pressearbeit haben wollte, "wenn die Gruppe dich haben will". Einige SGs haben diesen Wunsch bereits vor mehreren Wochen deutlich geäußert. Bei dem letzten Gespräch mit Markus hieß es dann, "Du kannst Dich dann ja auf eine der Beauftragungen bewerben." Letztes Wochenende hat eine der aktivsten Piratinnen innerhalb der SG Presse beim Bundesvorstand formell beantragt, mich als Pressekoordinatorin zu beauftragen.

Ich stehe in der aktuellen Situation für diese Position nicht zur Verfügung.

Ich würde den Job machen, wenn ich darauf vertrauen könnte, dass die Gruppe weiterhin eigenverantwortlich arbeiten könnte, und beim Bundesvorstand die notwendige Unterstützung und ein offenes Ohr fände. Ich würde die Aufgabe sogar sehr gerne übernehmen, wenn ich zumindest das Gefühl hätte, dass der Vorstand für seine Entscheidungen auch die Fachleute aus dem Presseteam miteinbeziehen würde. Das ist aber nach aktuellem Stand nicht der Fall. Was der Vorstand umsetzen möchte, vor allem aber die Art und Weise wie er das versucht, ist mit meinem Verständnis von ehrenamtlicher Arbeit, Teamführung, mit meinem Konzept und meinen Idealen nicht vereinbar.

Die Schuld an der Situation liegt sicher nicht allein beim Vorstand - immer wenn Menschen zusammenarbeiten kommt es zu Konflikten. Aber es ist die Aufgabe des Vorstandes zu integrieren und Konflikte so zu lösen, dass die produktive Arbeit für alle Beteiligten möglich bleibt. Für mich ist absehbar, dass die Leistung und Qualität unserer Pressearbeit unter dieser Art der Führung leiden wird, dass wir zukünftig in der Pressegruppe genausoschnell Personen verbrennen werden wie anderswo. Ich kann und will für eine derartige Vorgehensweise und deren Folgen keine Verantwortung übernehmen.

Es tut mir unheimlich leid hier zu einem gewissen Grad meine Teams im Stich zu lassen. Bitte glaubt mir, dass mir das nicht leicht fällt. Aber es wäre weder in eurem noch in meinem Sinne, und erst recht nicht im Sinne der Partei insgesamt, wenn ich unter den aktuellen Umständen in eine verantwortliche Position innerhalb der Öffentlichkeitsarbeit zurückkehre. Ich kann das nicht verantworten, und darum werde ich es nicht tun.