Tuesday 20 October 2015

Über Schubladen und Konventionen

This post was written for the 'Project PhD' blog project. 


Mein Studiengang ist per Definition interdisziplinär. Der ganze Gedanke hinter "Web Science" ist es, das Web aus vielen verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, über Grenzen zwischen Disziplinen hinweg, um ein ganzheitliches Bild zu bekommen. Weil es eben nicht genug ist, es nur als ein technisches Konstrukt zu verstehen, oder nur als einen sozialen Prozess, oder nur als ein juristisches Problem. Darum gibt es meinen Studiengang.

Ich habe mich, nun wirklich am Anfang des Projektes Doktorarbeit, auf die zwei Disziplinen Soziologie und Computer Science festgelegt. In jedem Bereich habe ich eine*n Supervisor*in (in einem sogar zwei, aber das hat einen anderen Hintergrund), und gehöre nun offiziell zur Fakultät für "Social, Human and Mathematical Sciences"- zur Soziologie also. Obwohl meine Uni einen interdisziplinären Studiengang anbietet, ist eine Zuordnung zu einer Fakultät notwendig, , damit klar ist welche Prozesse ich befolgen muss. In meinem Fall ergibt sich diese Zuordnung daraus dass nur erfahrene Supervisoren hauptverantwortlich für die Betreuung von Doktoranden sein dürfen. Da mein Betreuer in Computer Science dafür noch nicht genug Erfahrung hat, stellte sich die Frage wo ich administrativ hingehöre für mich nicht.

Nun ist aber Administration relativ unwichtig im Kontext der gigantischen Aufgabe diese Doktorarbeit zu schreiben. Dementsprechend egal ist mir, wo ich offiziell hingehöre. Wichtiger ist, wo ich 'akademisch' hinpasse - und da geht das Problem los. Die zwei Disziplinen die ich für meine Arbeit verknüpfen will funktionieren nämlich sehr unterschiedlich. Das merke ich gerade an den Gesprächen die ich mit besagten Supervisoren führe.

Will ich langfristig eher in Computer Science-lastigen Bereichen arbeiten, oder in Richtung Soziologie? Will ich überhaupt in der Akademia bleiben? Weil wenn nicht, ist der ganze Gedankengang obsolet. Aber wenn, dann muss ich jetzt entscheiden wo ich hin will, weil ich dann in den nächsten drei Jahren darauf hin arbeiten muss in dem Zielbereich einstellbar zu sein.

In der Soziologie scheint es üblich zu sein wenige, aber dafür ausführliche Paper in guten Journalen zu publizieren. In Computer Science hingegen ist der Takt geschätzt bei fünf Papern pro Jahr. Die müssen nicht groß sein, inkrementelle Fortschritte oder Analysen zu berichten ist okay, aber die Taktzahl muss hoch sein. Der Unterschied hängt damit zusammen wie die Akademiker in den Bereichen Erfolge messen (nach denen sie auch eingestellt / bezahlt werden).

Ich stehe nun vor der Frage: Wo will ich hin, und wie richte ich die Arbeit der nächsten drei Jahre aus um dorthin zu kommen? Ich weiß nicht ob ich in drei Jahren noch in die Akademia will, aber ich würde mir gern die Möglichkeit offen halten. Gleichzeitig will ich mich aber auch nicht eingrenzen müssen. Außerdem weiß ich ja jetzt nicht wie die Situation in drei Jahren aussieht. Vielleicht ist Interdisziplinarität, die ja an allen Ecken eingefordert wird, bis dahin soweit durch die Bürokratie gesickert, dass es pragmatische Jobbeschreibungen für Leute wie mich gibt. Vielleicht habe ich auch nach dem Abschluss dieser Arbeit gar keine Lust mehr auf Akademia, und gehe in die Wirtschaft - da ist dann vergleichsweise unwichtig wo und wie viel ich publiziert habe.

Ich bin in einem interdisziplinären Bereich, weil ich gerne interdisziplinär arbeite. Mich dabei an die Konventionen nur eines Bereiches anzupassen klingt widersinnig. Wieso sollte es nicht möglich sein, beides zu tun? Es sollte doch möglich sein, in beiden Bereichen aktiv zu sein, sowohl auf Computer Science Konferenzen zu präsentieren als auch in Soziologie Journalen zu publizieren. Wofür wäre denn Interdisziplinarität sonst gut? Das was ich tue wird am Ende ohnehin in keine Schublade passen. Wieso also sollte ich mich in eine quetschen?