Sunday 16 September 2018

Onlinebeteiligung von Frauen

This post was written for the Green Party Germany, following a workshop I delivered at their women's council meeting in 2018. The original post can be found on their participation blog.


Am Wochenende vom 07. bis zum 09. September 2018 hatte ich die Gelegenheit, mit dem Bundesfrauenrat über Onlinebeteiligung zu diskutieren. Ganz spezifisch ging es darum, wie sich die neuen Onlinewerkzeuge, die die Partei in den letzten Jahren eingeführt hat, auf die Beteiligung von Frauen auswirkt. In meiner Doktorarbeit erforsche ich ganz explizit den Effekt der Einführung der neuen Onlinebeteiligungstools auf die Beteiligung der Mitglieder. Die Werkzeuge mit denen ich mich vor allem beschäftige sind das Antragsgrün, die Mitgliederbefragung, und das Mitgliederbegehren.

Ich habe bereits in früheren Blogposts erklärt, wie sich digitale Ungleichheit auf Beteiligung auswirkt: Wer offline benachteiligt ist, etwa auf Grund geringen Einkommens oder Bildung, ist online tendenziell noch mehr benachteiligt. In einem Workshop im April 2017 haben wir darüber diskutiert, wie sich dieses Problem angehen lässt: Problembewusstsein ist der erste und wichtigste Schritt, um dann zum Beispiel zurückfallende Gruppen aktiv einbinden, oder alternative Routen zu Beteiligung anbieten zu können.

Ein Ergebnis meiner Untersuchung ist, dass von Frauen und Männer diese Onlinewerkzeuge unterschiedlich nutzen wollen. Die Nutzungszahlen zeigen Unterschiede nach demografischen Kriterien, so nutzen etwa jüngere Mitglieder verstärkt das Antragsgrün, während ältere Mitglieder eher die Befragung und das Begehren nutzen. Wonach sich die aktuellen Nutzung nicht unterscheidet, ist das Geschlecht: Frauen und Männer nutzen die Werkzeuge etwa gleich viel. So weit, so gut.

Die Onlinewerkzeuge haben durchaus auch positive Effekte. So haben zu etwa auch Gruppen vor, sich mehr zu beteiligen, die bislang eher unterrepräsentiert sind. Zum Beispiel wollen ältere Mitglieder sich verstärkt über das Antragsgrün einbringen, und Mitglieder ohne Universitätsabschluss wollen sich sowohl Anträgen als auch bei Begehren einbringen. Gleichzeitig lässt sich - bislang - auch nicht absehen, dass bestehende Unterschiede verstärkt würden: So haben etwa bereits aktive Mitglieder nicht vor, online noch aktiver zu werden. All das ist für die Partei, die Diversität in den Prozessen und die ausgeglichene Beteiligung von Mitgliedern sehr positiv.

Was dann nicht mehr so gut aussieht, ist die geplante zukünftige Beteiligung von Frauen. Gefragt danach, welche Wirkung die neuen Werkzeuge auf die persönliche Beteiligung haben, sagen Frauen deutlich häufiger, dass diese für sie keinen Unterschied machen - sie wollen sich genau so viel oder wenig einbringen wie bisher auch. Männer in der Partei haben hingegen deutlich häufiger vor, sich durch diese Onlinewerkzeuge mehr zu beteiligen. Wenn dies so eintritt, und von einer aktuell ausgeglichenen Beteiligung ausgehend Frauen ihr Verhalten nicht ändern, aber Männer das ihre intensivieren, würde das die bestehende Geschlechtergerechtigkeit untergraben.

Das liegt meiner Ansicht nach daran, dass die Onlinewerkzeuge gleich zwei in der Forschung gut bekannte Effekte kombinieren: Frauen beteiligen sich insgesamt weniger politisch, und sind insgesamt auch weniger online. Wenn diese beiden Welten sich treffen, und es um politische Beteiligung online geht, addiert sich dieser Unterschied auf, und plötzlich ergibt sich ein Geschlechterverhältnis von 2:1.

Sinnvolle Schritte um dieser Entwicklung entgegenzuwirken wären beispielsweise Schulungen zu Nutzen und Nutzung der Werkzeuge. Mitglieder die sie verstehen und gut finden wollen sie deutlich mehr nutzen. Auch Frauen insgesamt zu fördern kann helfen, denn wenn sie einmal in der Partei aktiv sind, egal wo, beteiligen sie sich auch eher online.

Offline schafft es die Partei - zumindest in großen Teilen - die Unterschiede in der Beteiligung auszugleichen. Eine große Rolle spielt dabei das Frauenstatut (PDF) - der Teil der Satzung, der etwa die paritätische Besetzung von Ämtern und Listenplätzen, oder auch Redezeiten auf Versammlungen regelt. Der Länderrat hat, als Teil der Beteiligungsordnung, bereits beschlossen, dass das Frauenstatut auch online gelten soll. Wie dies allerdings sowohl technisch als auch prozessual umgesetzt werden kann, ist noch weitestgehend offen. Erst kürzlich wurde im Antragsgrün ermöglicht, das Geschlecht von Antragssteller*innen und -unterstützer*innen zu erfassen. Transparenz ist ein wichtiger Schritt: Nur wenn bekannt ist, wie die Geschlechterverteilung online aussieht, können die richtigen Stellschrauben identifiziert werden, mit denen sich im Fall von Ungleichheiten nachjustieren lässt.

Die Folien zum Vortrag gibt es auf SlideShare.