This post was written for the 'Project PhD' blog project.
Das Thema Ethik ist mit Forschung eng verknüpft. Darum gibt es an meiner Uni - wie wohl an jeder anderen britischen Universität - ein Komitee, dass über die ethische Vertretbarkeit aller Forschungsprojekte entscheidet. Dabei geht es vor allem um die Frage, was konkret geschieht, mit wem und zu welchen Bedingungen. Ein Vortrag, den ich auf einem Workshop diese Woche sah, brachte den Grund dafür schön auf den Punkt: "Research(ers) should do no harm!"
Der Prozess ist zum Beispiel bei medizinischen Experimenten auch ohne Expertise auf dem Gebiet leicht vorstellbar: Ein Forscher hat ein Medikament entwickelt und muss testen, ob es funktioniert. Dazu braucht er - nach diversen anderen Schritten - Menschen, die das Medikament probeweise einnehmen, um (Neben-)Wirkungen festzustellen. Die Testkandidaten müssen dabei natürlich genau wissen, worauf sie sich einlassen, das Risiko kennen und der Teilnahme explizit zustimmen. Dazu muss der Forscher all diese Faktoren durchdenken und sein Projekt - trotz eventueller Risiken - rechtfertigen. Das Gesamtpaket wird von einem Komitee geprüft, bevor der Forscher loslegen darf.
So ähnlich funktioniert es auch in anderen Bereichen, und eben auch bei mir. Ich hatte in meinem letzten Beitrag schon berichtet, dass ich ein "Ethics Approval" brauche, um mein Projekt durchführen zu dürfen. Da ich lediglich Interviews über Skype führen möchte, halten sich die Risiken glücklicherweise in Grenzen! Nichtsdestotrotz brauchte ich sechs verschiedene Formulare für meine Bewerbung: Eines mit einer Beschreibung meiner Studie, deren Teilnehmern und was ich mit ihnen vorhabe. Ein weiteres für die Versicherung. Eine Ausführung dazu welche Daten ich erhebe und wie ich diese - im Rahmen des Data Protection Act in Großbritannien - nutze, speichere und vernichte. Dann noch eine komplette Übersicht über alle Interviewfragen, die ich stellen möchte, ein Informationsblatt und eine Einverständniserklärung für meine Interviewpartner. Und weil ich die Bewerbung auf Englisch schreibe, die Interviews aber auf Deutsch führe, brauchte ich die Hälfte dieser Dokumente auch noch in zwei Sprachen!
Insbesondere das Bewerbungsformular war sehr hilfreich dabei genauer zu definieren, was ich überhaupt machen möchte. Der Interview-Leitfaden war etwa genauso hilfreich, nur anders. Ich habe zwar beruflich schon viele Interviews geführt und habe in meiner früheren, politischen Rolle viele solche Interviews gegeben. Jetzt aber selbst zum ersten Mal so einen Leitfaden zu schreiben war eine Herausforderung. Zunächst mal muss ich sicherstellen, dass die Fragen, die ich stelle, so beantwortet werden können, dass ich verwertbare Ergebnisse bekomme. Dazu muss ich genauer wissen, was ich überhaupt wissen will.
Klingt einfach? Ist es sicher nicht! Denn mir fiel schnell auf, dass ich von der hier benötigten Detailtiefe noch recht weit entfernt war. Meinen ersten Entwurf schickte meine Betreuerin mir mit dem Kommentar zurück "Überleg mal wie Du auf diese Fragen reagiert hättest, wenn Dich jemand das früher gefragt hätte." Das war ein guter Hinweis, denn mir fiel auf, dass ich denken würde, die Person auf der anderen Seite hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Also habe ich mich hingesetzt und diese Hausaufgaben gemacht, mir noch mehr Vorwissen über den Bereich (Entscheidungsprozesse in politischen Parteien) angelesen und darauf basierend den kompletten Leitfaden noch einmal überarbeitet. Plötzlich war dann auch klarer, wo ich Schwerpunkte setzen muss und welche Fragen so gar nicht sinnvoll waren.
Sobald ich alle diese Dokumente fertig hatte - was immerhin sechs Wochen gedauert hatte! - kam der große Moment: ich konnte die Bewerbung endlich abschicken. Schon am nächsten Werktag bekam ich eine Antwort: Das Anfangsdatum, dass ich zu Beginn in die Formulare eingetragen hatte, war schon heran, und so schnell kann die Kommission die Bewerbung nicht bearbeiten. Also mussten die Daten geändert werden. Ich ahnte, dass dieser Prozess noch länger dauern könnte und plante dementsprechend zwei Wochen weiter nach hinten. Schon am nächsten Tag kam die Bewerbung wieder zurück: Mehrere Details in meinem Bewerbungsformular, dem Daten-Plan, dem Teilnehmerinformationsblatt und der Einverständniserklärung passten nicht. Nach einer weiteren Runde Änderungen konnte ich die Bewerbung nun zum dritten Mal einreichen.
Schon am nächsten Tag kam sie wieder zurück - diesmal mit dem ersehnten Approval! Alles in allem hat der eigentliche Prozess nun also nur drei Tage gedauert. Das einzige, das ein bisschen unglücklich ist, ist dass ich das Startdatum nach dem ersten Feedback so weit nach hinten geschoben habe, dass ich nun erst in knapp zwei Wochen anfangen darf tatsächlich Interviews zu führen. Diese Zeit nutze ich nun also dazu, mehr Literatur zu lesen und meine Interviewtermine zu planen. Ich habe insgesamt nur noch knapp acht Wochen Zeit, bis diese Arbeit fertig sein muss - jeder Tag zählt!